Anwesen der Angelis

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Scarlett fuhr ihren Wagen in eine der Garagen. Als sie daraufhin ins Haus kam, kam ihr sofort eine Dame des Hauspersonals entgegen. "Senoria, Riccardo will sie sprechen, in ihrem Büro." Scar nickte nur, sagte jedoch nichts. Sie konnte schon erahnen, weshalb Ricc sie sprechen wollte.
Bevor sie in ihr Büro ging, ging sie zuerst schnell in ihre Räume, um sich etwas frisches anzuziehen. Sie war die ganze Nacht unterwegs gewesen und fühlt sich nun ein wenig unwohl und wollte sich erst einmal schnell erfrischen.
Als sie fertig war, machte sie sich auf den Weg zu Riccardo.

Ricc saß auf dem Besuchersessel und starrte gerade stur aus dem Fenster als Scarlett die Tür öffnete und eintrat. Riccardo schwenkte den Sessel zu ihr herum.
"Gut, dass du endlich kommst. Es geht um..." Mit einem Blick bedachte er die noch geöffnete Tür. "Du weißt schon was ich meine!"
Ricc hoffte, dass sie sich ein wenig mit dem Schließen der Tür beeilen würde. Selbst hier im eigenen Haus traute er dem Personal nicht. Er hielt es einfach für besser, wenn so wenig Leute wie möglich von der Sache wussten.

"Natürlich weiß ich das!"
Sie lies die Tür langsam zu gleiten. Wenn irgendetwas schiefgegangen war, hatten sie ein ernsthaftes Problem. Doch Scar wollte nun ersteinmal abwarten, was Riccardo ihr berichten würde. Wenn tatsächlich etwas nicht stimmen sollte, dann konnte sie sich dann immer noch Sorgen machen.
"Und?"

Riccardo lies sich Zeit und nahm noch einen Schluck Wasser.
"Also, es ist alles nach Plan verlaufen. Wir haben Summer Carnevare." Er stockte kurz. "Allerdings, nun ja. Die Carnevares haben natürlich reagiert. Nur dass Alessandros Leuten ein Fehler unterlaufen war." Ricc hatte das von seinen eigenen Leuten erfahren und denen, da war er sich sicher, würde kein so fataler Fehler unterlaufen.
"Seine Leute haben die Favinos verdächtigt. Es ist zu einer Schießerei gekommen. Und es gab einige Tote."
Er wusste, dass sie von nun an um einiges vorsichtiger sein mussten. Er brauchte es nicht auszusprechen, denn sicherlich war Scarlett das auch vollkommen klar.

Scar nickte nur bedächtig. Dazu gab es nichts weiter zu sagen, was Riccardo nicht schon längst wusste. Verfahren wie das Alles war, würden sie nun noch vorsichtiger sein müssen, um ihre Ziele durchzusetzen.
Dann kam sie auf ein anderes Thema zu sprechen.
"Ich möchte, dass du dich um Summer kümmerst. Ihr soll es hier gut gehen. Neben Menschenraub soll man uns nicht auch noch eine schlechte Behandlung vorwirft."
Normalerweise war ihr sowas egal, doch es waren die Carnevares mit denen sie sich hier anlegte. Also nicht mehr Unannehmlichkeiten wie nötig.
"Geht das in Ordnung?"
Abwartend musterte sie Riccardo, weil ihr nicht klar war, wie er darauf reagieren würde.

Fassungslos starrte Ricc seine Schwester an. Er konnte es nicht glauben, dass sie soetwas von ihm erwartete.
"Ich will nichts mit deinen miesen Machenschaften zu tun haben, ja? Diebstahl und Betrug sind eine Sache, aber Entführung und Mord..."
Er fand keine Worte und schüttelte deshalb nur den Kopf. Scarlett warf er einen strafenden Blick zu. Schon oft hatte er ihr gesagt, dass er sie nur solange unterstützte, wie es nicht um Menschenleben ging. Zugegeben wollte er einen Menschen nicht mal verletzt sehen. Immer und immer wieder hatte ihm seine Schwester unter die Nase gerieben, dass er für diesen Beruf eigentlich ganz und gar nicht geeignet war. Leider hatte sie wirklich Recht. Schon oft hatte er überlegt auszusteigen, doch so einfach war das nicht. Es sei denn man war lebensmüde und mochte es, von Mafiaclans gejagt zu werden.
"Nein, kommt definitiv nicht in Frage." Seine Stimme war so entschlossen, dass er dachte sie würde ihn nicht weiter damit belästigen.

Scarlett hatte damit gerechnet. Doch sie musste ihn davon überreden. Sie würde es ja selbst übernehmen, doch Summer war nicht gut auf sie zu sprechen. Verachtend hatte sie Scar beleidigt und beschuldigt. Sie war entspannt geblieben, bis zu einem gewissen Punkt. Doch dann hatte es ihr gereicht und sie hatte diese freche Göre spüren lassen, wer sie war. Es war ihr gleichgültig für wie kalt und herzlos sie alle hielten.
Indem sie Ricc bat, sich um Summer zu kümmern, hoffte sie, dass er mit seiner Sanftmut und seinem Charme Zugang zu ihr bekam. Ihr Vertrauen konnte nur er gewinnen, und so auch die Informationen, die sie brauchte.
"Riccardo, sei vernünftig. Ich verlange doch nicht viel von dir, nur dass du ihr hin und wieder Gesellschaft leistest."

Wütend sprang er auf.
"Hast du mir nicht zugehört? Ich will nichts damit zu tun haben!"
Er war lauter geworden, als er beabsichtigt hatte, und sofort danach tat es ihm auch schon leid. Er hatte beherrschter sein sollen. Doch warum verstand seine Schwester ihn nicht? Aber er durfte es nicht von ihr erwarten. Kühl, wie sie war, hatte sie auch keine Skrupel, ganz im Gegensatz zu ihm.

"Komm schon Ricc, du weißt genau, dass kein anderer das tun kann." Sie seufzte, dann fügte sie leise hinzu: "Ich bitte dich als deine Schwester."
Vermutlich würde zumindest das Wirkung zeigen. Bei solch kurzen Ausbrüchen von Gefühlen, war Riccardo immer überrascht, so hoffentlich auch dieses Mal. Und wenn das nicht funktionieren würde, gab es für sie nur noch eine Möglichkeit, an ihr Ziel zu gelangen. Insgeheim hoffte sie jedoch, dass ihr Bruder sie nicht dazu zwingen musste.

Seine Augenbraue hob sich vor Verblüffung. Es kam nicht allzu oft vor, dass Scar ihn so um etwas bat. Doch er hielt es für besser, sich unbeeindruckt zu zeigen. Wenn sie glaubte ihn mit solch billigen Tricks zu überreden, dann hatte sie sich wohl geschnitten.
"Niemals. Oder willst du es mir als mein Capo befehlen?"

"Verdammt, Ricc! Du weißt ich will das so nicht, aber du lässt mir keine andere Wahl!" Er würde sie dafür hassen, doch es musste sein. Irgendwann würde er das noch verstehen.
"Du wirst dich um Summer Carnevare kümmern. Von mir aus, tun wir so, als wärst du ebenfalls ein Gefangener. Sie wird dir so leichter vertrauen."
Das war sogar noch besser, denn die junge Carnevare würde so keinen Verdacht schöpfen.
"Du gehst gleich runter." Ihr Ton war streng und lies keinen Widerstand zu.

Seine Faust traf wütend gegen die Wand. Scarlett wusste, dass er sich ihr nicht widersetzen durfte. So waren nunmal die Regeln des Clans. Man schwor einen Eid und gehorchte seinem Capi, wenn man nicht sterben wollte. Da half es ihm auch nicht, dass Scarlett seine Schwester war. Auch er musste sich an die Regeln halten.
"Dafür schuldest du mir aber was!" Es kam zwischen seinen Zähnen gepresst hervor, so wütend war er. Und sie schien das alles kalt zu lassen, wieder einmal.
"Versprich mir nur eins: sie wird niemals erfahren, dass ich etwas mit der Entführung zu tun hatte, naja, hatte ich ja eigentlich auch nicht. Du weißt schon was ich meine."
Noch immer hatte er Probleme, sich zu beherrschen.

"Verstanden. Ich werde sofort ein paar Männer anweisen, dich entsprechend aussehen zu lassen."
Ein paar zerrissene Klamotten, ein wenig Dreck im Gesicht und vielleicht ein paar Blutergüsse, damit Riccardo auch aussah, wie ein Entführter, und nicht wie ein junger Mann, der gepflegt und reich war.
"Danach wirst du sofort zu Summer in eine Zelle geführt. Am besten ist es, wenn du erst einmal vorgibst bewusstlos zu sein. Das wird ihr Mitleid erregen."

"Na gut."
Ricc ging es gehörig gegen den Strich, doch er konnte nichts anderes tun, als ihre Befehle zu befolgen. Dann kam ihm eine Idee. Er würde seine Rolle so gut spielen, dass Scar überrascht war und ihn nie wieder, wirklich nie wieder, um so etwas bitten würde und es ihr schon gar nicht befehlen würde. Sie würde es noch bereuen und sehen was sie davon hatte.
"Verschwinde jetzt, sofort!"

"Ich....", fing Scarlett an, doch dann schloss sie ihren Mund schnell wieder. Es schien ihr vernünftiger, jetzt nichts mehr zu sagen. Ohne ein weiteres Wort verlies sie das Zimmer, lies ihren Bruder alleine. Auf dem Flur zog sie ihr Handy hervor und verständigte zwei ihrer Männer, die sich um die Vorbereitungen kümmern sollten. Nun lag der weitere Verlauf an Riccardo. Wenn er es vermasselte, konnte er was erleben.

Männer in Anzügen strömten in den Raum. Er musste alte zerrissene Kleidung anziehen, die an vielen Stellen blutverkrustet war. Ein wenig Blut wurde in sein Haar geschmiert, um alles noch überzeugender zu gestalten. Nur sein Gesicht war noch sauber und unversehrt. Dafür wurde ihm eine Schale mit Schlamm hingehalten, den er sich ein wenig ins Gesicht strich. Nur nicht übertreiben! Er drehte sich zu den Männern um. Einer von ihnen trat auf ihn zu und traf mit der Faust Riccardos Auge. Sofort kam der Schmerz.
Scarlett, das gibt Ärger! Nun musste er sich für seinen Auftrag auch noch schlagen lassen, das ging definitiv zu weit!
Doch er gab keinen Laut von sich, lies es einfach über sich ergehen.
In die Mitte genommen von den Männern, ging er Richtung Summer Carnevare.

tbc: Angelis Kerker